Liebe Vereinsmitglieder,
gemütlich in einem Gastgarten zu sitzen, das hat schon Lebensqualität. Insbesondere da wir in den vergangenen Jahren diesbezüglich eingeschränkt waren. Zu einem Gastgarten gehören Schattenbäume, wie Rosskastanien. Im Folgenden habe ich ein paar Informationen zur Rosskastanie zusammengestellt mit Bildern von Geri und mir.
An vielen öffentlichen Orten und in Gastgärten Europas bis nach England und sogar bis in die USA, findet man die Echte Rosskastanie (Aesculus hippocastanum L.) als beliebten Schattenspender. Sie ist auch aus unserer Stadt und Umgebung nicht wegzudenken. Besonders schöne Exemplare stehen z.B. auf der Bastei, beim Neuwirth, in der Umgebung der Kneippanlage und in der Parkanlage in der August Scherl Straße nahe der Fachschule. Auch im Festungshof ist die Rosskastanie angepflanzt. Entlang des Inns, vom Fischergries Richtung Schwimmbad ist eine Rosskastanienallee angelegt.
Der Baum kann bis zu 25 m hoch und bis etwa 200 Jahre alt werden (Amann & Summerer 1993). Auffallend sind die großen, fünf- bis siebenfach gefingerten Blätter und die dicken klebrigen Knospen. Die Blüten besitzen einen etwas eigenartigen Geruch und stehen in kerzenartigen Rispen. Sie sind vorwiegend männlich, manche zwittrig und nur einzelne sind rein weiblich. Sie besitzen ein gelbes „Saftmal“ das sich nach der Befruchtung rot verfärbt. Die Früchte sind bestachelte Kapseln, die sich zur Reife öffnen und ein bis mehrere und dann meist ungleich große Samen freigeben.
Die Konsistenz und Größe der Samen machen sie zum idealen Grundmaterial um daraus „Kastanientiere“ zu basteln. Als Kind zerkleinerte ich im Winter die Samen um sie zur Wildfütterungsstelle zu bringen.
Die Osmanen kannten den Baum bereits bevor er der Wissenschaft vorgestellt wurde und verwendeten die Samen als Medizin bei Pferden gegen Husten – daher vermutlich auch der Name.
1565 wurde der Baum erstmals wissenschaftlich beschrieben. Wilde Vorkommen sind heute nur noch aus den Schluchtwäldern Albaniens, Nordgriechenlands, Nord Mazedoniens und Bulgariens bekannt, Restareale die auf eiszeitlich bedingte kleine Refugialgebiete in den genannten Orten zurückgehen (Walas et al. 2019). Kurz nach der Erstbeschreibung wurde die Rosskastanie von dem berühmten Botaniker Clusius im Wiener Botanischen Garten angepflanzt (1570). Es ist möglich, dass alle heutigen Pflanzungen auf diese Exemplare zurückgehen.
Erst 1986 wurde die Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ohridella Deschka & Dimić) aus Mazedonien nahe dem Ohridsee beschrieben (Deschka & Dimić 1986). Leider sind den Forschern einige Exemplare entkommen und seit 1989 hat sich diese Motte auf alle Länder in denen die Rosskastanie gepflegt wird, ausgebreitet.
Zusätzlich zur Miniermotte wird die Rosskastanie auch durch weitere „Mitesser“ bedrängt. Auffallend sind oft ausgedehnte braune Stellen an den Blättern, hervorgerufen durch die Rosskastanienblattbräune (Guignardia aesculi [Peck] V.B. Stewart). Zudem breitet sich seit einigen Jahren in Europa ein aus Nordamerika eingeschleppter Mehltaupilz, Erysiphe flexuosa (Peck) U. Braun & S. Takam., flächendeckend aus.
Deutlich erkennbar sind auch die Auswirkungen von Wassermangel und/oder Streusalz, die sich durch abgestorbene Blattränder zeigen. Oft tritt Wassermangel bei zu klein dimensionierten Baumscheiben auf (mindestens der finale Kronendurchmesser ist nötig). Ähnlich zum Wassermangel sind auch Wirkungen von sogenannten „Pflanzenschutzmitteln“, wenn zum falschen Zeitpunkt (gibt es einen richtigen?) oder überdosiert „behandelt“ wird.
Inhaltsstoffe der Rosskastanie finden Anwendung in der Phytomedizin, z.B. als Vasodilatoren gegen Krampfaderleiden. Vor allem in der Rinde bildet der Baum Aesculin, ein Cumarinderivat. Dieses wurde bei Sonnenschutzpräparaten für die Gewehrschützen von Kampfflugzeugen des 1. und 2. Weltkrieges angewendet. Um das Aesculin aus den Rinden der Rosskastanien zu gewinnen, wurden viele Bäume gefällt und die Bestände oft arg dezimiert. In der Zwischenzeit verwendet man andere Sonnenschutzpräparate Die Eigenschaft des Aesculin, UV in sichtbares Licht umzuwandeln, kann auch als Geheimtinte genutzt werden.
Neben der Gemeinen Rosskastanie wird häufig auch die Fleischrote Rosskastanie (Aesculus x carnea Hayne) gesetzt, eine Kreuzung der Gemeinen Rosskastanie mit der nordamerikanische Pavie (Aesculus pavia L.). Der deutsche Name nimmt Bezug auf die Blütenfarbe. Der Baum ist in allen Teilen kleiner und kompakter als die Gemeine Rosskastanie und die Früchte sind nicht oder kaum bestachelt. Die Pavie wächst vorwiegend strauchförmig oder kann in ihrer Heimat ausnahmsweise auch ein kleiner Baum werden (Schultz 2017).
Literatur:
Amman, G. & Summerer, C. (1993): Bäume und Sträucher des Waldes. 16. Auflage. Weltbild Verlag, Augsburg: S. 182-183.
Deschka, G. & Dimić, N. (1986): Cameraria ohridella sp. n. (Lep., Lithocolletidae) aus Mazedonien, Jugoslawien. Acta Entomologica Jugoslavica 22(1-2): 11-23.
Schultz, B. (2017): Aesculus L., Rosskastanie – Sapindaceae. In: Schmidt, P.A. & Schultz, B. (Hrsg.): Fitschen. Gehölzflora. 13., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim: S. 368-371.
Walas, L., Ganatsas, P., Iszkuło, G., Thomas, P.A., Dering, M. (2019): Spatial genetic structure and diversity of natural populations of Aesculus hippocastanum L. in Greece. PLOS One 14(12): e0226225.